Leidenschaften am Tegernsee

Nach Chagall nun: Von Renoir bis Jawlensky - mit Leidenschaft gesammelt. Werke aus Privatbesitz.

Das Tegernseer Tal bietet neben dem wundervollen See und den lieblichen Bergen neuerdings einen weiteren trifftigen Grund für einen Besuch. Michael Beck hat das Olaf Gulbransson Museum aus dem Dornröschenschlaf geküsst und zeigt zum zweiten Mal verborgene Schätze, die er leidenschaftlichen Privatsammlern entlockt.

Was man sonst nur zu sehen bekäme, wenn man mit zwei Handvoll Sammlern so gut befreundet wäre, dass man in ihren Salons ein und ausginge, holt Beck in ein kleines Museum am idyllischen Tegernsee. Mit der Chagall-Ausstellung reüssierte er, als neuer Vorstandsvorsitzender der Olaf Gulbransson Gesellschaft, bereits mit einem Paukenschlag. Über 18.000 Besucher kamen angereist. Nun folgt die nächste Sonderausstellung im Ableger der bayerischen Staats- und Gemäldesammlungen.

Trouvaillen

Wie bringt man vermögende Privatsammler dazu, sich von ihren Lieblingswerken zu trennen?

Mit Beck ist dem Verein ein Geniestreich gelungen. Als Sohn des verstorbenen Tegernseer Künstlers Herbert Beck ist er vor Ort aufgewachsen, inzwischen aber schon lange Mitinhaber der renommierten Galerie Beck & Eggeling in Düsseldorf und somit ein erfolgreich international tätiger Kunsthändler.

Kunsthändler zu sein sei eine sehr intime und vetrauensvolle Beratungstätigkeit. Daraus entstünden oft Freundschaften, sodass er sich sogar manchmal erlauben könne einem Sammler bestimmte Arbeiten „zuzuteilen", sagt Beck mit einem Schmunzeln.

Das Kunststück, diese Trouvaillen aus Privatbesitz zusammenzutragen, schafft also nur, wer zum einen über die Kenntnis verfügt, welches Meisterwerk in wessen Salon hängt (ca. die Hälfte der gezeigten Arbeiten hat er selbst an die Sammler verkauft), mit vielen dieser gut befreundet ist und dann noch dezent genug keinen Druck aufzubauen, sondern geschickt mit interessanten Entschädigungen zu locken. Besonders auch die kleineren Bilder, meist Aquarelle, nennt Beck „Intimitäten". Für die Füllung der entstehenden Lücken werden fotografische Kopien erstellt, in hartnäckigeren Fällen leiht er jedoch auch mal wertvolle Arbeiten aus seinem Galeriebestand aus oder bietet die Möglichkeit eigene Gäste zu einer privaten Führung einzuladen. Denn immerhin entbehren die Sammler ihre Bilder für ein halbes Jahr, wie z.B. Gabriele und Anna Braglia aus Lugaano, die alleine 13 ihrer Schätze ausliehen. Die größte Motivation stellt freilich für alle Sammler die Freude dar, die eigenen Arbeiten in einem Museum hängen zu sehen.

Das Konzept

Die Vorbereitungen für diese Ausstellung laufen bereits seit fünf Jahren. Sie sei auf Kontraste aufgebaut – auf die zwischen Impressionismus und Expressionismus; teils kann man diese erstaunliche Transformation anhand mehrerer Arbeiten eines Künstlers in der Ausstellung nachverfolgen, die in der entsprechenden Reihenfolge gehängt wurden. So kann man zum Beispiel bei Christian Rohlfs, den Beck als deutlich unterbewertet einstuft, sehen, wie er aus dem zunächst gegenständlichen Impressionistischen einen starken Expressionismus entwickelt hat. Oder bei August Macke, der auch einige Zeit am Tegernsee lebte, bei dem man in der künstlerischen Entwicklung zum Schluss sogar kubistische und futuristische Tendenzen erkennen kann.

Unter den insgesamt 71 Werken sind Arbeiten aller bedeutenden Expressionisten zu sehen. Darunter: Paul Klee, Paul Gaugin, Emil Nolde, August Macke, Franz Mark und Gabriele Münter, Max Liebermann, Max Beckmann, Wassily Kandinsky und Alexej Jawlensky.

Viele dieser Bilder, zum Beispiel die des berühmten Emil Nolde mit seiner kühnen Farbigkeit, wirken heute noch derart modern und avantgardistisch, dass ich Beck frage, wie sie sich den Mut „nicht zu gefallen" leisten konnten. Michael Beck: „Leisten konnten sie ihn sich im Grunde nicht. Denn sie wurden ja regelrecht für verrückt erklärt und verlacht. Daher haben sie sich teils in Gruppen, wie dem Blauen Reiter, zusammen getan, um sich gegenseitig zu stützen. Denn sie mussten so malen, wie sie es taten, aus einem inneren Drang heraus... Das ist Teil der großen Leistung dieser Künstler..."

Überrascht werden die Besucher von einem vermeintlichen Fremdkörper (einer afrikanischen Skulptur) sein. Wie sehr die Expressionisten jedoch von afrikanischer Kunst inspiriert waren, zeigt die Gegenüberstellung der „Figur einer Frau mit Cola-Nuss" der westafrikanischen Yoruba mit Christian Rohlfs Bild „Zwei Köpfe".

Die Hängung

Die Art der Hängung ist besonders hervorzuheben. Sie ist mutig und spannungsreich, teils auf weißen, teils auf knallroten, zitronengelben oder leuchtend blauen Wänden. Auch diese ist von Beck selbst konzipiert. Nehmen Sie sich Zeit für die Ausstellung - die meisten Bilder berühren tief.

Manche Arbeiten hat er mit Zitaten der Künstler versehen und ebenso wird jedes Bild durch einen QR – Code ergänzt, der dem Betrachter im hauseigenen WLAN sofort weitere Informationen auf sein Telefon liefert. Auch sei Fotografieren und Posten eindeutig willkommen.

Beim Interview verrät mir Michael Beck, dass er vielmehr Ausstellungsmacher als klassischer Händler sei, dass er es liebe, Ausstellungen und die dazugehörigen Kataloge zu konzipieren. Daher handele es sich um eine geradezu ideale Symbiose zwischen Galerie- und Vereinstätigkeit, auch wenn es eine zusätzliche umfangreiche Aufgabe für ihn bedeute.

Das Buch

Absolut empfehlenswert: Der begleitende Ausstellungskatalog ist ein handfestes Buch mit 210 Hochglanzseiten geworden, inklusive Vitae, wunderbarer Fotos der Künstler und interessanten Texten von Professor Roland Doschka, Kurator des Kunstmuseums Lindau, Professor Dr. Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und Dr. Christian Ring, Direktor der Ada und Emil Nolde Stiftung.

Zukünftig

Von den benachbarten Museen Buchheim in Bernried, Franz Marc in Kochel und dem Schlossmuseum in Murnau nun als ebenbürtig wahrgenommen zu werden, freue ihn besonders, da dies in Zukunft eine Zusammenarbeit ermögliche, die – besonders für weit angereiste Besucher – eine interessante Attraktion bedeute.

Im Olaf Gulbransson Museum wird in 1,5 Jahren eine Einzelausstellung zu Ernst Ludwig Kirchner zu sehen sein, dann eine zum deutschen Star Gerhard Richter und anschließend eine Ausstellung, die auch historische Architekturmodelle zeigt. Ich kann nicht sagen, auf welche ich mich am meisten freue...

Programm

Mit den teils kritischen Gesprächs-Themen soll explizit auch ein jüngeres Publikum angesprochen werden. Rund um die Ausstellung gibt es zudem ein umfangreiches und hochkarätiges Programm von Diskussionen bis Führungen. HIER

Die Olaf Gulbransson Gesellschaft e.V. Tegernsee fördert und pflegt das Werk des norwegischen Künstlers Olaf Gulbransson und verwaltet das gleichnamige Museum. Sie konzipiert die jährlichen Sonderausstellungen und ist Herausgeberin der begleitenden Publikationen.  www.olaf-gulbransson-gesellschaft.de

Olaf Gulbransson Museum
Tegernsee Kurgarten 5
83684 Tegernsee
Tel 080223338

Regine Geibel

„Neben meiner redaktionellen Tätigkeit plane ich unter dem Namen STUDIO REGINE GEIBEL ökologische Holzhäuser im Alpenraum und Ferienhäuser in Südeuropa; unter dem Namen 8 SENSES berate ich - zusammen mit Maren Boettcher - Hotels bzgl. Design-Refresh, Usability, Akustik, Beleuchtung“

Regine Geibel

Gründerin und Chefredakteurin