Haus am Meer

Eileen Gray war nicht nur Stardesignerin, sondern auch Architektin. Mit der Küstenvilla E.1027 schuf sie ein avantgardistisches Refugium an der Côte d'Azur. Eine eigenwillig-eindringliche Dokufiktion geht auf Spurensuche durch das außergewöhnliche Leben der Nonkonformistin.

Der Erste Weltkrieg brachte eine alte Welt zum Einsturz. Und er bedeutete die Chance, eine neue zu erfinden. In diesen bewegten 1920er Jahren begann Eileen Gray in Paris ihre Karriere als Designerin mit mutigen, modernen Kreationen aus Lack, Chrom, Stahlrohr und Glas. Gemeinsam mit dem Journalisten und Architekten Jean Badovici baute die Irin in Roquebrune-Cap-Martin aber auch die Küstenvilla E.1027: ein durchgestaltetes, avantgardistisches Refugium, das eine spirituelle Erweiterung ihrer selbst und ein Raum für Frauen sein sollte, die ein Zimmer für sich alleine brauchen.

Kampf um Platz in der Architekturwelt

Mit „E.1027 – Eileen Gray und das Haus am Meer" begeben sich Regisseurin Beatrice Minger und Co-Regisseur Christoph Schaub auf eine filmische Reise rund um Person und Werk von Eileen Gray. Aus deren persönlicher Perspektive beschreiben sie die Entwicklung einer hochsensiblen Nonkonformistin, ihre komplementäre Beziehung zu Jean Badovici und ihren Kampf um einen adäquaten Platz in der männlich dominierten Architekturwelt. Denn nach Eileen Grays Wegzug aus E.1027 übermalte Le Corbusier in Absprache mit Jean Badovici etliche weiße Wände mit großformatigen, bunten Fresken – für Eileen Gray ein übergriffiger Akt von Vandalismus, aus Sicht Le Corbusiers hingegen ein künstlerisch wertvolles Geschenk.

Panoptikum von Handlungsebenen

Für ihre Spurensuche quer durch ein außergewöhnliches Leben verwenden Beatrice Minger und Christoph Schaub Archivmaterial als historischen Kontext. Diese Foto- und Filmaufnahmen werden auf große Leinwänden projiziert, vor denen Eileen Gray (Natalie Radmall-Quirke), Jean Badovici (Axel Moustache) und Le Corbusier (Charles Morillon) in einer Art stilisiertem Theaterstück interagieren und diskutieren. Andere Szenen der „hybriden Dokufiktion", die laut Minger und Schaub „ein Panoptikum von Handlungsebenen" aus verschiedenen Räumen und Bildquellen ist, spielen in und um E.1027, wo nach Jahren der Vernachlässigung mittlerweile ein Museum eingerichtet wurde.

Atmosphärisch dichte Impressionen

Durch die sensible Kameraführung von Ramon Giger, der einerseits lichtdurchflutete Räume oder Außenansichten der Villa, andererseits architektonische Details wie Balkongeländer oder den Blick durch ein offenes Fenster filmt, entstehen atmosphärisch dichte Impressionen von E.1027 – mal in ruhigen Kamerafahrten, mal in kurzen Momentaufnahmen. Ziel war ingesamt eine Bildsprache, „die der rätselhaften, vielschichtigen und brillanten Künstlerin, die im Mittelpunkt steht, gerecht wird. Wir wollten den architektonischen Raum und die Geschlechterverhältnisse, die Reibung konkurrierender Sichtweisen sowie Dokumentarisches und Fiktionales erkunden", so Beatrice Minger und Christoph Schaub. Nach umfangreichen Recherchen, Gesprächen mit Expert:innen und zahlreichen Besuchen in E.1027 entschieden sich die beiden für einen „entscheidenden Schritt in die Abstraktion". Für Zuschauer ist dieser Kunstgriff zunächst gewöhnungsbedürftig, zieht sie dann aber mit einer eigenwillig-eindringliche Erzählweise in ihren Bann.

Alle Fotos: RASC

Kinostart ist der 24.10.24, alle bundesweit teilnehmende Kinos finden sich hier und der deutsche Trailer hier.